Leseförderung
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Diskussionspapier für Lehrerinnen und Lehrer

Zur Diskussion:

Leseförderung contra „Leseförderung“

Während unter Kolleginnen und Kollegen kaum umstritten ist, was unter Schulbibliotheksarbeit und Informationsbeschaffung zu verstehen ist und dass dazu eine Schulbibliothek gehört, weil von der Grundschule bis zum Abitur diese handlungsorientierten Methoden im Bildungsprozess von großer Bedeutung sind, verhält sich das ganz anders  bei der Leseförderung

Ein besonderes Problem liegt schon im Begriff, den unterschiedliche Interessenten mit je ganz anderen Vorstellungen füllen:

  • Es gibt immer noch die Vorstellung, dass „Lesen bildet“; aber hier ist es, wie bei allen Klischees; sie beweisen sich nicht durch sich selbst und auch nicht durch gebetsmühlenartiges Wiederholen – wenn überhaupt, hat das in dem ganz anderen Bildungsumfeld des 19. Jahrhunderts partiell gegolten.
  • Es gibt dann sehr verbreitet die Vorstellung, dass Leseförderung so etwas sei wie „Schöner Lesen“. Dahin gehören Assoziationen wie: Ergreifendes, stimmungsvolles Vorlesen; Malen, Basteln und Werkeln zu einem Buch; Schlafsack und Taschenlampe in einer Bibliothek; der Film zum Buch; der Dichter liest usw.
  • Es gibt aber auch die Vorstellung, Leseförderung sei die Vermittlung von Lesefähigkeit und das Training der Lesefertigkeit.

Nun ist in den letzten drei Jahrzehnten zwar festzustellen, dass die Zahl der Buchhandlungen und auch die Zahl der verkauften Bücher sich erhöhte, sowie in öffentlichen Bibliotheken die Zahl der Ausleihen gesteigert werden konnte – und das bei einer sinkenden Zahl deutschsprachiger Leser in Deutschland - dass aber die Lesefähigkeit und die Lesefertigkeit dennoch abgenommen haben. 

Wenn also Leseförderung dieses Hauptübel beseitigen will, so muss sie in der Schule ansetzen und darauf zielen, die Lesefähigkeit und -fertigkeit zu verbessern - und darf nicht wie jetzt (wenn ein militärisches Bild erlaubt ist) die Grundausbildung vernachlässigen und die geringen Mittel für „Leseförderung“ in einer Art Truppenbetreuung öffentlichkeitswirksam verplempern. 

Mangelnde Lesefähigkeit behebt man nicht

mit Dichterlesungen oder Lesenächten,

 sondern mit Buchstabieren.

Viele der gegenwärtigen - sicher oft sehr pressewirksamen -  Formen der in der Schule durchgeführten Leseförderung - wie z.B. Dichterlesungen, Lesewettbewerbe und Lesecafes oder Lesenächte - unterhalten nur eine Minderheit, die lesen kann; fördern das Lesen selbst, bei denen, die besser Lesen können müssten,  aber nicht.

Lesen muss im Erst-Leseunterricht gut vorbereitet und dann im Unterricht aller Fächer immer wieder trainiert werden.

Wer nicht gut lesen kann,

liest nicht gern.

Wenn Schüler nicht über eine gewisse Leichtigkeit des Lesens verfügen, wird jede Bibliothek vergeblich auf Leser warten - und die oben genannten Formen der Leseförderung („Schöner Lesen“) können diese Voraussetzung nicht schaffen.

Aus den Erfahrungen der Beraterinnen und Berater lässt sich sagen, dass trotz vieler einzelner Aktivitäten zur Leseförderung, die oft engagiert und zeitaufwendig von einzelnen Kolleginnen und Kollegen durchgeführt worden sind, die Leseförderung lediglich dort von Dauer war, wo sie durch eine Schulbibliothek institutionalisiert [1] worden ist. Das Engagement der Kolleginnen und Kollegen ist nämlich häufig nur einmalig, weil der Zeitaufwand für solche Projekte meist nicht entsprechend honoriert wird und viele Kräfte bindet, die dann für den eigentlichen Unterricht fehlen.

In den Grundschulen ist der Leseförderung vor der Schulbibliotheksarbeit sicher ein größeres Gewicht einzuräumen; aber auch hier sollte das Lesen an einem eigenen Ort in der Schule - z.B. durch eine „Lesestube“ - festgemacht werden.

Wird die Leseförderung durch eine „Lesestube“ - oder wie man eine Schulbibliothek auch immer nennen mag - institutionalisiert, so hat die Wiederholung einer besonderen Aktion zur Leseförderung eine viel größere Chance.

Was nun die einzelnen Aktivitäten zur Leseförderung angeht, die von Lehrern im Zusammenhang mit öffentlichen Bibliotheken, Verlagen, Buchhandlungen oder dem Börsenverein durchgeführt werden, so gilt für diese häufig das, was in einem Handbuch für auszubildende Bibliothekare und Bibliotheksassistenten ungeschminkt so bewertet wird:

„In jüngster Zeit wird die Leseförderung angesichts der Ausbreitung audiovisueller Medien, vor allem des Fernsehens, sowie der elektronischen Medien und schließlich der Zunahme der Freizeit intensiv betrieben. Zu ihren Maßnahmen gehört in allen Ländern eine mehr oder weniger große Fülle von Einzelaktivitäten; ein Gesamtkonzept gibt es aber nirgends. Viele Förderungsmaßnahmen sind einfach Werbemaßnahmen, die die Aufmerksamkeit des Publikums auf Bücher und ihre Verfasser lenken wollen. Hierhin gehören Dichterlesungen, Buchausstellungen und Kataloge, Vorlesewettbewerbe von Schülern, Verleihung von Literaturpreisen, Buchbesprechungen in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen.“ [2]

Diese Bewertung vieler Lese-Förderungsmaßnahmen sollten die Lehrer im Hinterkopf haben, wenn sie mit Buchhändlern oder Bibliothekaren einzelne Maßnahmen oder ein Leseförderungskonzept für ihren Standort entwickeln.; denn Lehrer, Bibliothekare und Buchhändler haben - wenn sie mit Büchern und anderen Medien beruflich umgehen - jeweils ganz andere legitime Interessen.

Um es auf kurze Formeln zu bringen, wird heute de facto der Erfolg

  ·     eines Buchhändlers daran gemessen, wie viele Bücher er verkauft;

  ·     der des Bibliothekars daran, wie viele Bücher er ausleiht   und

  ·     der des Lehrers daran, wie gut seine Schüler lesen können.

Für die Zukunft muss in diesem Zusammenhang noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Lehrerinnen und Lehrer nicht das Geschäft von Schriftstellern, Verlagen und Buchhändlern, sondern das der Schule zu betreiben haben - und das heißt: Verbesserung der Lesefertigkeit. Dieser Appell richtet sich in der Hauptsache  an die Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe I und II; denn häufig wird die in der Grundschule gelegte gute Grundlegung später nicht genügend gepflegt.

Einige Beispiele, die zeigen, was hier unter Leseförderung verstanden wird, finden sich unter dem Link "Lesetraining"

 


 [1]   Die Schulbibliothek wird zu einer Institution für Leseförderung, wenn dort alle Pläne und Materialien der durchgeführten Leseförderungsmaßnahmen gesammelt und zur Wiederverwendung für Kolleginnen und Kollegen bereitgehalten werden.

 [2] Rehm, Margarete: Lexikon Buch - Bibliothek - Neue Medien. München, London, New York, Paris: K.G. Saur, 1991, Seite 175.

 
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