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Umdruck für Schülerinnen und Schüler

Büchereiarbeit

 Der vorliegende Text von Rainer Kawa zu unserem Thema „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“ enthält 9 Fehler, die durch Flüchtigkeit und Unleserlichkeiten im Original vom Abschreiber bisher nicht gebessert werden konnten.

Sie können den Text in der Stadtbibliothek und in der Schulbibliothek finden.

Aufgabe:

  1. Verbessern Sie die Fehler im vorliegenden Text!
  2. Fassen Sie den gebesserten Text mit eigenen Worten zusammen! (s. Textkürzung)
  3. Geben Sie den Titel regelgerecht an!  (s. Titelaufnahme)

 Welche Bedürfnisse Christian Wolfs sind es, die sein Handeln bestimmen? Aufs Ganze der Geschichte heben sich drei entscheidende Bedürfnisse ab. Da ist zunächst die Sinnlichkeit, wie sie in der Beziehung zu Annchen hervortritt; moderner gesprochen: seine Sexualität. Da ist zweitens sein Bedürfnis nach mitmenschlicher Zuwendung, nach »Bedaurung« (9), wie es im Zusammenhang der Festungshaft heißt. Und da ist drittens das Bedürfnis nach Ehre, nach gesellschaftlicher Geltung. Es erscheint uns sinnvoll, aufgrund ihrer Gemeinsamkeit diese drei Bedürfnisse unter dem Oberbegriff des >Affektionsbedürfnisses< zusammenzufassen. Dieser Begriff stellt nämlich die Beziehung her zu dem Begriff der »Liebe« in Schillers frühen philosophischen Schriften. Die »Liebe«, als »der schönste, edelste Trieb in der menschlichen Seele«, dient hier als das Zwischenglied, das das Streben des Individuums nach Vollkommenheit mit der Beförderung der Vollkommenheit der Menschheit vermittelt (Philosophie der Physiologie, SW V/251). Schiller unternimmt allerdings in der Geschichte den Versuch, die Bedürfnisse Wolfs anthropologisch zu begründen oder zu erklären. Er nennt sie als Merkmale der Persönlichkeit, führt ihre Bedeutsamkeit am Schicksal Wolfs vor. Eine Erklärung liefert erst der Rückbezug auf das Menschenbild Schillers und des Sturm und Drang.

Aus dem Negieren von Wolfs Affektionsbedürfnis, zunächst dergestalt, daß das Herz Annchens »seinen Beteurungen verschlossen blieb« (7), entwickelt sich die Dynamik der Geschichte. In diesem Prozeß machen sich weitere subjektive Dispositionen Wolfs geltend.

Wolf ist von Geburt an hinsichtlich seines Äußeren benachteiligt:

»Eine kleine unscheinbare Figur, krauses Haar von einer unangenehmen Schwärze, eine plattgedrückte Nase und eine geschwollene Oberlippe, welche noch überdies durch den Schlag eines Pferdes aus ihrer Richtung gewichen war, gab seinem Anblick eine Widrigkeit, welche alle Frauen von ihm zurückscheuchte und dem Spott seiner Kameraden eine reichliche Nahrung bot.« (6)

Was seinen Charakter angeht, so ist er »weichlich« (7; vgl. 8), zugleich »stolz«, »bequem« und »unwissend« (7 f.). Diese Charakterzüge sind angeboren. Dies legen die wenigen Sätze über Wolfs Kindheit nahe, in denen sich für jede dieser Eigenschaften eine jenseits der Person liegende Ursache findet. Die Weichlichkeit rührt offenbar von der Dominanz der Mutter her, denn der Vater ist früh gestorben. Letzteres motiviert, daß Christian in der Wirtschaft mithilft. Damit hat er Anteil an einer Existenzform, die durch bürgerliche Freiheit von der Abhängigkeit des Bauern abgehoben ist; dies begründet Wolfs ständischen Stolz und Hochmut. Mitzudenken ist, daß er keine Berufs- oder höhere Schulbildung genießt, also unwissend bleibt. Der Umstand, daß die Wirtschaft schlecht geht, verursacht ihm »müßige Stunden« (6): dieser Mangel an sinnvoller Tätigkeit - und anders läßt sich >Muße< zeitgenössisch nicht verstehen ... - ist für seine Bequemlichkeit verantwortlich. Darüber hinaus erklärt sich so, daß Wolf nur über wenig Geld verfügt. ...

[A]ll diese charakterlichen und sozialen Voraussetzungen Wolfs werden zu Gründen dafür, daß er zur Wilddieberei gelangt und keinen anderen Gelderwerb ergreift, ja ergreifen kann.

 

Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer  -  Lösung:

Welche Bedürfnisse Christian Wolfs sind es, die sein Handeln bestimmen? Aufs Ganze der Geschichte heben sich drei entscheidende Bedürfnisse ab. Da ist zunächst die Sinnlichkeit, wie sie in der Beziehung zu Hannchen hervortritt; moderner gesprochen: seine Sexualität. Da ist zweitens sein Bedürfnis nach mitmenschlicher Zuwendung, nach »Bedaurung« (9), wie es im Zusammenhang der Festungshaft heißt. Und da ist drittens das Bedürfnis nach Ehre, nach gesellschaftlicher Geltung. Es erscheint uns sinnvoll, aufgrund ihrer Gemeinsamkeit diese drei Bedürfnisse unter dem Oberbegriff des >Assoziationsbedürfnisses< zusammenzufassen. Dieser Begriff stellt nämlich die Beziehung her zu dem Begriff der »Liebe« in Schillers frühen philosophischen Schriften. Die »Liebe«, als »der schönste, edelste Trieb in der menschlichen Seele«, dient hier als das Zwischenglied, das das Streben des Individuums nach Vollkommenheit mit der Beförderung der Vollkommenheit der Menschheit vermittelt (Philosophie der Physiologie, SW V/251). Schiller unternimmt allerdings in der Geschichte nicht den Versuch, die Bedürfnisse Wolfs anthropologisch zu begründen oder zu erklären. Er nennt sie als Merkmale der Persönlichkeit, führt ihre Bedeutsamkeit am Schicksal Wolfs vor. Eine Erklärung liefert erst der Rückbezug auf das Menschenbild Schillers und der Aufklärung (vgl. Kapitel 1.2).

Aus dem Negieren von Wolfs Assoziationsbedürfnis, zunächst dergestalt, daß das Herz Hannchens »seinen Beteurungen verschlossen blieb« (7), entwickelt sich die Dynamik der Geschichte. In diesem Prozeß machen sich weitere subjektive Dispositionen Wolfs geltend.

Wolf ist von Geburt an hinsichtlich seines Äußeren benachteiligt:

»Eine kleine unscheinbare Figur, krauses Haar von einer unangenehmen Schwärze, eine plattgedrückte Nase und eine geschwollene Oberlippe, welche noch überdies durch den Schlag eines Pferdes aus ihrer Richtung gewichen war, gab seinem Anblick eine Widrigkeit, welche alle Weiber von ihm zurückscheuchte und dem Witz seiner Kameraden eine reichliche Nahrung bot.« (6)

Was seinen Charakter angeht, so ist er »weichlich« (7; vgl. 8), zugleich »stolz«, »bequem« und »unwissend« (7 f.). Diese Charakterzüge sind nicht zufällig und nicht angeboren. Dies legen die wenigen Sätze über Wolfs Kindheit nahe, in denen sich für jede dieser Eigenschaften eine jenseits der Person liegende Ursache findet. Die Weichlichkeit rührt offenbar von der Dominanz der Mutter her, denn der Vater ist früh gestorben. Letzteres motiviert, daß Christian in der Wirtschaft mithilft. Damit hat er Anteil an einer Existenzform, die durch bürgerliche Freiheit von der Abhängigkeit des Bauern abgehoben ist; dies begründet Wolfs ständischen Stolz und Hochmut. Mitzudenken ist, daß er keine Berufs- oder höhere Schulbildung genießt, also unwissend bleibt. Der Umstand, daß die Wirtschaft schlecht geht, verursacht ihm »müßige Stunden« (6): dieser Mangel an sinnvoller Tätigkeit - und anders läßt sich >Muße< zeitgenössisch nicht verstehen ... - ist für seine Bequemlichkeit verantwortlich. Darüber hinaus erklärt sich so, daß Wolf nur über wenig Geld verfügt.  ...

[A]ll diese charakterlichen und sozialen Voraussetzungen Wolfs werden zu Gründen dafür, daß er zur Wilddieberei gelangt und keinen anderen Gelderwerb ergreift, ja ergreifen kann.

Kawa, Rainer: Friedrich Schiller: Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Frankf.a.M: Diesterweg, (1990) (= Grundlagen und Gedanken zum Verständnis erzählender Literatur), Seite 42/43

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